1945 – 75 Jahre Befreiung vom Faschismus

Einzug des ÖFF-Bataillons, Bild: DÖW

Vor 75 Jahren, in den April- und Maitagen 1945, wurde Österreich von der Fremd- und Terrorherrschaft des Hitler-Faschismus befreit. Der Aufbau einer selbstständigen, unabhängigen, demokratischen Republik begann. Patrioten aller politischen Richtungen haben im Kampf um die Wiederentstehung eines freien Österreich größte Opfer gebracht.

Die nationalsozialistische Diktatur Hitlers, der am 30. Jänner 1933 in Deutschland an die Spitze einer bürgerlichen Koalitionsregierung trat, war die historisch aggressivste Form des Faschismus. Imperialistische Außenpolitik, gewalttätiger Antikommunismus, Anti-Parlamentarismus, Bekämpfung der organisierten Arbeiterbewegung – all dies wurde mit Hitler an die Spitze getrieben. Seinen wahnwitzigen Höhepunkt fand der Nationalsozialismus schließlich im industriellen Völkermord an Juden, Slawen und anderen als „minderwertig“ erachteten Gruppen.

Das Ende Österreichs
Die Entwicklung in Deutschland gab den demokratiefeindlichen Kräften in Österreich Aufschwung. Nicht nur die hier agierende Nazipartei, auch die Heimwehren und die Leute um Engelbert Dollfuß bekamen durch die Entwicklung in Deutschland Oberwasser. Die immer schärfer werdenden Repressionen gegen die österreichische Arbeiterbewegung mündeten in den österreichischen Bürgerkrieg vom 12. bis 15. Februar 1934. Der Sieg der Regierungsseite machte den Weg frei für die Errichtung eines austrofaschistischen „Ständestaates“, der schließlich durch die aggressive Außenpolitik Hitlers international immer stärker unter Druck geriet. Am 12. März 1938 erfolgte der Einmarsch der faschistischen deutschen Wehrmacht in Österreich – nachdem bereits am Vorabend, dem 11. März, vielerorts österreichische Nationalsozialisten die Macht übernommen hatten. Mit diesem so genannten „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich wurde Österreich als eigenständiger Staat bis 1945 ausgelöscht. International protestierten nur Mexiko und die Sowjetunion. Mit Okkupation und Annexion weiteten sich sofort auch alle Verbrechen des NS-Regimes auf Österreich aus: politische Verfolgung im großen Stil, Verschleppung in Konzentrationslager, antisemitische Übergriffe und Arisierungspolitik als Vorstufen zum systematischen Massenmord.

Der Weg in den Krieg
„Hitler bedeutet Krieg“, plakatierte die KPÖ bereits vor 1938. Die gewaltsame Okkupation Österreichs war der erste Schritt Hitler-Deutschlands zur Förderung des Planes, gegen andere Länder Angriffskriege und imperialistische Eroberungsfeldzüge zu führen. Mit dem „Anschluss“ Österreichs wurden viele neue Divisionen von Soldaten gewonnen; mit Österreichs Gold- und Devisenschatz konnte das Aufrüstungsprogramm des Dritten Reiches entscheidend gestärkt werden. Nicht zuletzt wurde die geopolitische Situation des Deutschen Reichs enorm verbessert. Das österreichische Gebiet konnte als Sprungbrett Richtung Osten und Balkan genutzt werden. Am 1. September 1939 begann mit dem Angriff der Wehrmacht auf Polen der Zweite Weltkrieg, am 22. Juni 1941 erfolgte der Überfall auf die Sowjetunion. Im Osten führten die Nationalsozialisten in den nächsten Jahren einen beispiellosen Vernichtungsfeldzug.

Nach anfänglichen Erfolgen Hitler-Deutschlands an den militärischen Fronten Europas und Nordafrikas sollte Anfang 1943 die Kriegswende eintreten: Mit der Niederlage der Wehrmacht gegen die Rote Armee in der Schlacht von Stalingrad (Kapitulation letzter Truppenteile der 6. Armee am 2. Februar 1943) und mit der deutschen Niederlage in der „Schlacht von Kursk“ im Juli 1943 befanden sich Hitlers Truppen zunehmend in der Defensive. Dies hielt die Nationalsozialisten nicht davon ab, bis zuletzt unfassbare Verbrechen in Europa und auf österreichischem Boden zu begehen. Zu nennen seien hier nur die Massaker von Rechnitz an ungarischen jüdischen Zwangsarbeitern (24./25. März 1945), das Massaker am Präbichl an ungarischen Juden (8. April 1945), das Massaker von Stein an politischen und anderen Häftlingen (6. April 1945 und darauffolgende Tage), das Massaker im KZ Mauthausen an politischen, vor allem kommunistischen Lagerinsassen (28./29. April 1945).

Die Befreiung Österreichs
Am Donnerstag, 29. März 1945 erreichte die 3. Ukrainische Front der Roten Armee unter Marschall Fjodor I. Tolbuchin nach schweren Gefechten gegen die Heeresgruppe Süd zum ersten Mal österreichischen Boden bei Klostermarienberg im (damals nicht existenten) Burgenland. Erst einen Monat später, am 28. April, sollten die Westalliierten in Tirol Österreich betreten. Am 1. April nahm die Rote Armee Eisenstadt ein, am 5. April 1945 begann die Schlacht um Wien. Acht Tage später, am 13. April, waren die blutigen Kämpfe beendet und Wien vom NS-Terror befreit. Mit maßgeblicher Unterstützung der Sowjetunion wurde in Wien eine vom Sozialdemokraten Karl Renner geführte provisorische Regierung für Österreich eingesetzt. Am 9. Mai 1945 besetzte die Rote Armee als letzte große Stadt in Österreich Graz. Insgesamt kamen in den letzten Kriegstagen auf österreichischem Gebiet rund 47.000 Soldaten und 10.000 Zivilisten ums Leben.

Für große Teile der österreichischen Bevölkerung bedeuteten die sieben Jahre NS-Herrschaft unermessliches Leid. Den über 700.000 österreichischen NSDAP-Mitgliedern standen 64.000 österreichische Jüdinnen und Juden gegenüber, die in den faschistischen Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet wurden; weitere 134.000 Jüdinnen und Juden wurden zur Flucht gezwungen. 2.700 Österreicherinnen und Österreicher wurden durch die NS-„Justiz“ zum Tode verurteilt und hingerichtet, 9.700 Österreicherinnen und Österreicher wurden in Gestapo-Gefängnissen ermordet. 16.500 andere Österreicherinnen und Österreicher kamen in Konzentrationslagern ums Leben, 6.400 in sonstigen Haftanstalten. 74.000 Österreicherinnen und Österreicher, die zur deutschen Wehrmacht eingezogen wurden, wurden wegen Wehrdienstverweigerung oder anderen „Delikten“ zu langen Kerkerstrafen verurteilt oder hingerichtet. Auch der aktive österreichische Widerstand gegen Faschismus und Fremdherrschaft hatte viele unmittelbare Opfer zu beklagen, unter ihnen – um nur einige stellvertretend zu nennen – Silvester Haider (obersteirische Partisanen), Sepp Teufl (KPÖ Oberösterreich), Alfred Klahr (führender kommunistischer Theoretiker), Hedwig „Hedy“ Urach (ZK-Mitglied der KPÖ) oder Anna „Anny“ Gräf (KJV-Gruppe „Soldatenrat“).

Vom offiziellen Österreich wurden diese Personen nach 1945 großteils vergessen. Die Verantwortung und Mitwirkung von Österreicherinnen und Österreichern an Holocaust und Weltkrieg war kein Gegenstand öffentlicher Debatten. Unerwünscht war aber nicht nur der Rückblick auf die eigenen Taten. Unerwünscht war auch die Rückkehr jener Vertriebenen, die an diese Taten hätten erinnern können. Die Großparteien ÖVP und SPÖ richteten sich im „Opfermythos“ bequem ein. Erst 1991 räumte der damalige österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) in einer Rede im Nationalrat die Mitverantwortung Österreichs an den Verbrechen des Nationalsozialismus ein.

Eine direkte Folge dieses verspäteten Eingeständnisses war, dass es in Österreich nach 1945 vornehmlich nichtstaatlichen Einrichtungen, Verbänden und Organisationen überlassen geblieben war, Träger eines konsequenten Antifaschismus zu sein. Aus diesem Grund setzt sich auch der 1945 als überparteiliche Vereinigung gegründete KZ-Verband zum Ziel, sich nicht nur für eine unabhängige, neutrale und demokratische Republik Österreich einzusetzen, sondern weiterhin einen kompromisslosen Kampf gegen nazistische, neofaschistische und chauvinistische Bestrebungen zu führen.

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Dieser Artikel ist in der ersten Ausgabe 2020 des neuen Mahnrufs erschienen. Bestellungen des „neuen Mahnrufs“ können mittels des Kontaktformulars kostenlos aufgegeben werden. Außerdem steht unser Download-Service im PDF-Format bereit: Download „der neue Mahnruf“