Befreiungsfeier Mauthausen 2022, ein Rückblick

Eine Befreiungsfeier ohne Überlebende, leider werden wir uns daran gewöhnen müssen.

Unser tiefster Respekt gilt Daniel Chanoch, einer der letzten Überlebenden des KZ-Außenlagers Gunskirchen, reiste trotz seiner 91 Jahre aus Israel an und nahm an der Befreiungsfeier in Gunskirchen am Vortag teil.

Trotzdem war der Tag gestern nicht ganz ohne Überlebende, wenn auch nicht im herkömmlichen Sinne.

Wir vom KZ-Verband stehen über Charlotte Rombach in Kontakt mit zwei Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion. Herzlich gerne hätten wir sie in diesem außergewöhnlichen Jahr unterstützt, damit sie an der Befreiungsfeier am 15.5. teilnehmen hätten können. Angesichts der komplizierten und damit noch anstrengenderen Anreise haben sich aber Beide entschlossen nicht nach Österreich zu reisen.

Dabei waren sie trotzdem, wir trugen ihre Bilder ins unserer Delegation beim Einzug, ihre Lebensläufe stellen wir hier, mit Genehmigung beider Frauen, zur Verfügung.

Tatjana Kowaljowa wurde 1934 im Dorf Selzo, Gebiet Smolensk, geboren. Als die deutsche Wehrmacht am 22. Juni 1941 die Sowjetunion überfiel, wurde ihr Vater in die Rote Armee eingezogen. Sie, ihre zwei kleineren Schwestern und ein Bruder blieben mit der Mutter zu Hause. Im Dezember 1942 starb ihre Mutter an Typhus.

Bei ihrem Rückzug sperrten die Deutschen im Jänner 1943 die alten Menschen in die Scheune von Selzo und brannten das ganze Dorf nieder. Die restliche Bevölkerung, die als arbeitsfähig eingestuft wurde, also auch die Kinder, wurde in Viehwagons über Weißrussland nach Polen transportiert. Dort wurden sie in einem kleinen Ort in einer Reihe aufgestellt, einige mit einem Kreuz auf der Stirn markiert, Tanja und ihre Geschwister jedoch nicht. Sie und die anderen Verschleppten aus ihrem Dorf erhielten pro Person einen Liter Wasser für „ein Bad“ zur Reinigung und wurden danach in geschlossenen Wagons über Deutschland nach Österreich in das noch aus dem 1. Weltkrieg stammende Lager in Trofaiach gebracht. Die Jugendlichen und die Kinder stellte man auf einem Platz im Ort auf, wo sie von Bauern der Umgebung als Arbeitssklaven ausgewählt wurden. Während die Älteren in einem Betrieb in der Nähe Zwangsarbeit verrichten mussten (Donawitz u.a.), mussten die Jüngeren bei den Bauern schwer arbeiten. Tatjana wurde mit einem anderen Mädchen von einem Bauern ausgesucht, der SS-ler war und bei dem sie als Achtjährige schwerste Arbeit leisten musste, vor allem das Vieh versorgen und Mist wegräumen. Seine Frau war grausam, schlug die Kinder und gab ihnen als Strafe kein Essen. Eine Nachbarin, auch eine Bäuerin, gab jedoch den Mädchen heimlich Brot.

Schließlich hielt es Tatjana nicht mehr aus und floh im September 1943 in das Lager in Trofaiach. Der Lagerleiter hatte Mitleid mit ihr und jagte sie nicht weg. Aber sie musste auch hier viel und schwer arbeiten, vor allem das Lagerterritorium aufräumen und säubern. Zu essen gab es meistens eine Wassersuppe mit Stücken von Rüben, die im Herbst auf den Feldern gesammelt wurden. Die Gefangenen erhielten ein oder zwei Stück Brot am Tag, sie litten ständig Hunger.

Am 8. Mai 1945 befreite die Rote Armee das Lager, Tatjana und ihre Schwester wurden vorerst über Jugoslawien nach Odessa zur Überprüfung gebracht, danach fuhren sie nach Hause ins Smolensker Gebiet. Sie wurden in einem Kinderheim untergebracht, von wo sie ihre ältere Schwester 1947 wieder zu sich holte, da zu dieser Zeit in Russland eine große Dürre herrschte und die Ernte ausfiel. Sie übersiedelten nach Weißrussland, wo Tatjana in der Stadt Slonim die zehnjährige Schule absolvierte. Nachdem ihr Bruder demobilisiert worden war, fuhr sie zu ihm nach Lobnja, studierte dort an der Technischen Schule für Industrialisierung, arbeitete danach bis 1973 in einem wissenschaftlichen Forschungsinstitut und schließlich im Ministerium für Landwirtschaftsbau.

Tatjana Kowaljowa ist in Pension und aktiv in der Bezirksorganisation für ehemalige minderjährige Häftlinge von Nazi-Konzentrationslagern tätig, die in ihrem Wohnbezirk Domodedowo Veteranen betreut.

Tatjana Petrowka , geboren wurde Tatjana am 7. November 1937 im Sowchos „1. Mai“, Bezirk Dubrowensk, Gebiet Witebsk, ehemalige UdSSR. Ihre Familie bestand aus Vater, Mutter, Bruder und Schwester und ihr selbst. Der Vater kämpfte im Großen Vaterländischen Krieg, er fiel in einer der Schlachten. Der minderjährige Bruder wurde von den Faschisten mit einer Gruppe von Kindern aus dem Dorf wegen „Verbindung zu Partisanen“ bei lebendigem Leib verbrannt.

Die Mutter, Tatjana und ihre Schwester wurden 1943 von den Faschisten nach Deutschland verschleppt. Dort wurden sie getrennt – ihre Mutter kam ins Konzentrationslager für Erwachsene, Tatjana und ihre Schwester in ein Kinder-Konzentrationslager in der Stadt Graid, das neben einem deutschen Militärspital gelegen war. Dort befanden sich nur Kinder, die von deutschen Ärzten „behandelt“ wurden – sie nahmen ihnen Blut ab und führten an ihnen Experimente durch. Sie beobachteten an ihnen die Verträglichkeit von Salben, Injektionen, Tabletten und allen möglichen neuen Medikamenten. Nach solchen Experimenten überlebte von 10 Kindern eines.

Wenn nur wenige Kinder überlebten, wurden sie als „abgearbeitetes Material“ angesehen und es wurde eine neue Gruppe Kinder gebracht. Tatjana und ihre Schwester überlebten, und man überstellte sie als „abgearbeitetes Material“ zur Feldarbeit in ein anderes KZ, das bei einer Hilfswirtschaft in der Stadt Röhrig gelegen war. Hier bereitete man Arbeitskräfte für das zukünftige Deutschland vor.

Die Rote Armee befreite Tatjana im Mai 1945. Sie wurde nach der Befreiung von Straßburg über Österreich in die Heimat zurückgebracht, wo sie ihre Mutter ausfindig machte. Die Familie war wieder zusammen, aber es fehlte ihr an Essen, einer Unterkunft, Kleidung, Schuhe. So begann für sie ein sehr schweres Nachkriegsleben mit Hunger, Kälte und Armut.

Um überleben zu können, übersiedelte die Familie in die Nähe von Moskau. Nach dem Schulabschluss fand Tatjana eine Arbeit als Malerin und Anstreicherin in der 2. Verwaltung für Bau und Montage des Trests Nr. 27. Sie nahm am Bau von Wohnhäusern, des regionalen Spitals und einer Schule in der Stadt Puschkino teil.

1964 begann sie als Weberin in einer Fabrik für die Herstellung von dünnem Tuch zu arbeiten. Während der drei Jahre Arbeit dort besuchte sie das Moskauer Mechanisch-Technologische Technikum, das sie als technische Technologin erfolgreich abschloss. 1966 wechselte sie zum Mamontower Chemiebetrieb, wo sie 33 Jahre arbeitete.

Tatjana hat zwei Kinder großgezogen, sie hat zwei Enkelinnen und einen Urenkel.