Offener Brief an FBM Claudia Tanner

Werte Frau Verteidigungsministerin Tanner!

Als anerkannter NS-Opferverband sehen wir uns im Sinne der Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft verpflichtet, gegen die fehlende Entlassung eines Unteroffiziers, der in SS-Uniform spazieren ging, aufs Schärfste zu protestieren.

Das österreichische Bundesheer ist als Heer eines demokratischen Staates und nicht in der Tradition der Wehrmacht aufgestellt. Daran könnte man anlässlich der Tatsache zweifeln, dass dieser Unteroffizier des Bundesheers sich Devotionalien mit Hakenkreuzen und SS-Runen bestellt, sich eine SS-Uniform bastelt, mehrfach den Hitlergruß zeigt, wegen Wiederbetätigung im nationalsozialistischen Sinne verurteilt wird, von der Disziplinarkommission eine Geldstrafe erhält und weiter als Unteroffizier den Dienst versehen kann.

„Wer das Verbrechen der nationalsozialistischen Wiederbetätigung begeht, zerstört dem Grunde nach das Vertrauen in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben (siehe VwGH Erkenntnis vom 5.9.2013/090114).“ Der betroffene Beamte hat dieses Verhalten mehrfach gesetzt. Offensichtlich hat die Disziplinarbehörde den Ernst der Lage nicht erkannt. Der Disziplinaranwalt als Vertreter des Bundesheeres vor der Bundesdisziplinarbehörde hat ebenso vor der Kommission ausgeführt, dass eine Geldstrafe ausreichend ist – und keine Entlassung gefordert. Das Signal ist verheerend und inakzeptabel.

Als KZ-Verband/VdA fordern wir umgehend die Entlassung des betroffenen Unteroffiziers sowie eine Öffnung der Disziplinarkommission für unabhängige Expert_innen, sei es Historiker_innen oder Vertreter_innen der NS-Opferverbände, die in solchen Fällen mitentscheiden. Ebenso halten wir es für notwendig, dass Sie in Ihrer Verantwortung strukturell die Ausbildungspläne sowie die Disziplinar- und Strafmaßnahmen durchleuchten.

Wenn wir in Österreich 2022 Wiederbetätigung tolerieren, haben wir aus der Geschichte nichts gelernt.

Dagmar Schindler 
Vorsitzende KZ-Verband/VdA Wien, Bund

Birgit Hebein 
Vorsitzende KZ-Verband/VdA NÖ

Ernst Wolrab

Bundessekretär KZ-Verband/VdA

Befreiungsfeier Mauthausen 2022, ein Rückblick

Eine Befreiungsfeier ohne Überlebende, leider werden wir uns daran gewöhnen müssen.

Unser tiefster Respekt gilt Daniel Chanoch, einer der letzten Überlebenden des KZ-Außenlagers Gunskirchen, reiste trotz seiner 91 Jahre aus Israel an und nahm an der Befreiungsfeier in Gunskirchen am Vortag teil.

Trotzdem war der Tag gestern nicht ganz ohne Überlebende, wenn auch nicht im herkömmlichen Sinne.

Wir vom KZ-Verband stehen über Charlotte Rombach in Kontakt mit zwei Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion. Herzlich gerne hätten wir sie in diesem außergewöhnlichen Jahr unterstützt, damit sie an der Befreiungsfeier am 15.5. teilnehmen hätten können. Angesichts der komplizierten und damit noch anstrengenderen Anreise haben sich aber Beide entschlossen nicht nach Österreich zu reisen.

Dabei waren sie trotzdem, wir trugen ihre Bilder ins unserer Delegation beim Einzug, ihre Lebensläufe stellen wir hier, mit Genehmigung beider Frauen, zur Verfügung.

Tatjana Kowaljowa wurde 1934 im Dorf Selzo, Gebiet Smolensk, geboren. Als die deutsche Wehrmacht am 22. Juni 1941 die Sowjetunion überfiel, wurde ihr Vater in die Rote Armee eingezogen. Sie, ihre zwei kleineren Schwestern und ein Bruder blieben mit der Mutter zu Hause. Im Dezember 1942 starb ihre Mutter an Typhus.

Bei ihrem Rückzug sperrten die Deutschen im Jänner 1943 die alten Menschen in die Scheune von Selzo und brannten das ganze Dorf nieder. Die restliche Bevölkerung, die als arbeitsfähig eingestuft wurde, also auch die Kinder, wurde in Viehwagons über Weißrussland nach Polen transportiert. Dort wurden sie in einem kleinen Ort in einer Reihe aufgestellt, einige mit einem Kreuz auf der Stirn markiert, Tanja und ihre Geschwister jedoch nicht. Sie und die anderen Verschleppten aus ihrem Dorf erhielten pro Person einen Liter Wasser für „ein Bad“ zur Reinigung und wurden danach in geschlossenen Wagons über Deutschland nach Österreich in das noch aus dem 1. Weltkrieg stammende Lager in Trofaiach gebracht. Die Jugendlichen und die Kinder stellte man auf einem Platz im Ort auf, wo sie von Bauern der Umgebung als Arbeitssklaven ausgewählt wurden. Während die Älteren in einem Betrieb in der Nähe Zwangsarbeit verrichten mussten (Donawitz u.a.), mussten die Jüngeren bei den Bauern schwer arbeiten. Tatjana wurde mit einem anderen Mädchen von einem Bauern ausgesucht, der SS-ler war und bei dem sie als Achtjährige schwerste Arbeit leisten musste, vor allem das Vieh versorgen und Mist wegräumen. Seine Frau war grausam, schlug die Kinder und gab ihnen als Strafe kein Essen. Eine Nachbarin, auch eine Bäuerin, gab jedoch den Mädchen heimlich Brot.

Schließlich hielt es Tatjana nicht mehr aus und floh im September 1943 in das Lager in Trofaiach. Der Lagerleiter hatte Mitleid mit ihr und jagte sie nicht weg. Aber sie musste auch hier viel und schwer arbeiten, vor allem das Lagerterritorium aufräumen und säubern. Zu essen gab es meistens eine Wassersuppe mit Stücken von Rüben, die im Herbst auf den Feldern gesammelt wurden. Die Gefangenen erhielten ein oder zwei Stück Brot am Tag, sie litten ständig Hunger.

Am 8. Mai 1945 befreite die Rote Armee das Lager, Tatjana und ihre Schwester wurden vorerst über Jugoslawien nach Odessa zur Überprüfung gebracht, danach fuhren sie nach Hause ins Smolensker Gebiet. Sie wurden in einem Kinderheim untergebracht, von wo sie ihre ältere Schwester 1947 wieder zu sich holte, da zu dieser Zeit in Russland eine große Dürre herrschte und die Ernte ausfiel. Sie übersiedelten nach Weißrussland, wo Tatjana in der Stadt Slonim die zehnjährige Schule absolvierte. Nachdem ihr Bruder demobilisiert worden war, fuhr sie zu ihm nach Lobnja, studierte dort an der Technischen Schule für Industrialisierung, arbeitete danach bis 1973 in einem wissenschaftlichen Forschungsinstitut und schließlich im Ministerium für Landwirtschaftsbau.

Tatjana Kowaljowa ist in Pension und aktiv in der Bezirksorganisation für ehemalige minderjährige Häftlinge von Nazi-Konzentrationslagern tätig, die in ihrem Wohnbezirk Domodedowo Veteranen betreut.

Tatjana Petrowka , geboren wurde Tatjana am 7. November 1937 im Sowchos „1. Mai“, Bezirk Dubrowensk, Gebiet Witebsk, ehemalige UdSSR. Ihre Familie bestand aus Vater, Mutter, Bruder und Schwester und ihr selbst. Der Vater kämpfte im Großen Vaterländischen Krieg, er fiel in einer der Schlachten. Der minderjährige Bruder wurde von den Faschisten mit einer Gruppe von Kindern aus dem Dorf wegen „Verbindung zu Partisanen“ bei lebendigem Leib verbrannt.

Die Mutter, Tatjana und ihre Schwester wurden 1943 von den Faschisten nach Deutschland verschleppt. Dort wurden sie getrennt – ihre Mutter kam ins Konzentrationslager für Erwachsene, Tatjana und ihre Schwester in ein Kinder-Konzentrationslager in der Stadt Graid, das neben einem deutschen Militärspital gelegen war. Dort befanden sich nur Kinder, die von deutschen Ärzten „behandelt“ wurden – sie nahmen ihnen Blut ab und führten an ihnen Experimente durch. Sie beobachteten an ihnen die Verträglichkeit von Salben, Injektionen, Tabletten und allen möglichen neuen Medikamenten. Nach solchen Experimenten überlebte von 10 Kindern eines.

Wenn nur wenige Kinder überlebten, wurden sie als „abgearbeitetes Material“ angesehen und es wurde eine neue Gruppe Kinder gebracht. Tatjana und ihre Schwester überlebten, und man überstellte sie als „abgearbeitetes Material“ zur Feldarbeit in ein anderes KZ, das bei einer Hilfswirtschaft in der Stadt Röhrig gelegen war. Hier bereitete man Arbeitskräfte für das zukünftige Deutschland vor.

Die Rote Armee befreite Tatjana im Mai 1945. Sie wurde nach der Befreiung von Straßburg über Österreich in die Heimat zurückgebracht, wo sie ihre Mutter ausfindig machte. Die Familie war wieder zusammen, aber es fehlte ihr an Essen, einer Unterkunft, Kleidung, Schuhe. So begann für sie ein sehr schweres Nachkriegsleben mit Hunger, Kälte und Armut.

Um überleben zu können, übersiedelte die Familie in die Nähe von Moskau. Nach dem Schulabschluss fand Tatjana eine Arbeit als Malerin und Anstreicherin in der 2. Verwaltung für Bau und Montage des Trests Nr. 27. Sie nahm am Bau von Wohnhäusern, des regionalen Spitals und einer Schule in der Stadt Puschkino teil.

1964 begann sie als Weberin in einer Fabrik für die Herstellung von dünnem Tuch zu arbeiten. Während der drei Jahre Arbeit dort besuchte sie das Moskauer Mechanisch-Technologische Technikum, das sie als technische Technologin erfolgreich abschloss. 1966 wechselte sie zum Mamontower Chemiebetrieb, wo sie 33 Jahre arbeitete.

Tatjana hat zwei Kinder großgezogen, sie hat zwei Enkelinnen und einen Urenkel.

8. Mai Tag der Befreiung?

Aus Berlin erreicht uns heute die Nachricht, dass die Flagge der Sowjetunion (die rote Fahne mit Hammer und Sichel) auf einigen Plätzen Berlins am 8. und 9. Mai nicht gezeigt werden darf – nämlich überall dort, wo sich Erinnerungszeichen an die Befreiung der Stadt durch die Rote Armee 1945 befinden. Die Polizei der von SPD, Grünen und Linken regierten Stadt rechtfertigte das Verbot mit der seltsamen Begründung, dass der russische Präsident möglicherweise die Absicht habe, das Staatsgebiet der ehemaligen UdSSR oder Teile davon zu erobern; aus diesem Grund könne die Fahne der UdSSR als Verherrlichung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine interpretiert werden.

In den Reihen der sowjetischen Armee kämpften Russen genauso wie Ukrainer und Weißrussen sowie viele Menschen unterschiedlicher Nationalitäten bis hin zu Vertriebenen aus Deutschland und Österreich. Der 9. Mai ist der Gedenktag an den Sieg über die Nazi-Barbarei in Europa.

Die Flagge der Sowjetunion erinnert daran, dass die Hauptlast in diesem Befreiungskampf der Anti-Hitler-Koalition die Soldaten und Soldatinnen der Roten Armee und Angehörige der sowjetischen Zivilbevölkerung trugen. Diese Fahne zu verbieten, ist Bestandteil eines Umschreibens der Geschichte und eine Verhöhnung der Millionen Toten, die dieser Kampf kostete.

Die russische Armee, die heute einen barbarischen Krieg gegen die Ukraine führt, ist nicht die Rote Armee, die gemeinsam mit den westlichen Alliierten 1945 auch Österreich und Deutschland befreit hat.

Der österreichische KZ-Verband ist solidarisch mit all jenen, die nicht bereit sind, diese „Entsorgung“ des sowjetischen Anteils an der Niederringung des Naziregimes hinzunehmen. Wir fordern die deutschen Behörden auf, dieses Verbot zurückzunehmen.

Bundesvorstand des KZ-Verbandes/VdA

***** Wir machen „Urlaub“*****

Liebe Freundinnen und Freunde, wir sind bis 14. April auf Studienreise auf den Spuren der Partisan:innen in Slowenien, unser Büro ist daher nicht besetzt, ihr erreicht uns per Mail bzw. hier auf Facebook! Als Entschädigung gibt es dann dafür unseren Reisebericht.

Frauentag – Friedenstag

Erst wenn auch die große Mehrheit der Frauen aus tiefster Überzeugung hinter die Losung tritt: Krieg dem Kriege, erst dann kann den Völkern der Friede gesichert werden. Clara Zetkin (1857-1933)

Wir stehen an diesem 8. März 2022 solidarisch an der Seite der Frauen in der Ukraine, in Russland, in Afghanistan, in Kurdistan, in Syrien und überall dort wo Krieg und Verfolgung es insbesondere Frauen noch schwerer machen als sonst.

Wir stehen solidarisch bei denen die gegen Krieg und Verfolgung auf die Straße gehen, wie gerade in Moskau und vielen russischen Städten, trotz der Strafandrohungen. Solidarisch mit allen Menschen die Frieden, Freiheit und Demokratie fordern.

Wir wollen an diesem 8. März, neben Gleichberechtigung für alle Geschlechter, eines vorrangig fordern. Frieden!

Wir fordern die Verantwortlichen auf die Waffen niederzulegen und an den Verhandlungstischen nach Lösungen zu suchen. Wir fordern die Soldatinnen und Soldaten auf, legt eure Waffen nieder.

Wenn wir von „nie wieder“ reden, dann auch von „nie wieder Krieg“. Das Ehren und Gedenken an die Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime war immer verbunden mit einem Engagement für Frieden, Freiheit und Demokratie.

Der Frieden ist nicht alles aber ohne Frieden ist alles nichts!