NS-belastete Straßenamen

OFFENER BRIEF – zur Gemeinderatssitzung am 22. September 2021/

Aktuelle Stunde

Sehr geehrte Gemeinderätin der Stadt Salzburg,
sehr geehrter Gemeinderat der Stadt Salzburg,

der KZ-Verband/Verband der Antifaschisten und Antifaschistinnen
Salzburgs wendet sich in einem offenen Brief an Sie, weil Sie in
Verantwortung für die Stadt Salzburg letztlich über Weiterführung
der Ehrung von Nationalsozialisten und/oder deren Helferleins und
Mitläufer in Form von Straßennamen zu entscheiden haben.

Wir ersparen Ihnen hier eine detailgenaue Schilderung des Faschismus
an der Macht, die wichtigsten Fakten sollten bekannt sein: Ein
mörderischer Vernichtungskrieg mit zumindest 60 Millionen Toten,
sechs Millionen industriell ermordete Juden und Jüdinnen, die
planmäßige Tötung von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter*innen,
die Ermordung von Roma und Sinti, von politisch Verfolgten, von
behinderten Menschen, von Homosexuellen und noch viele andere
Unsagbarkeiten mehr.

Weil Zahlen allein oft zu wenig sagen, dürfen wir Sie auf die
Homepage der Salzburger Stolpersteine www.stolpersteine-salzburg.at
[4] verweisen. Hier können Sie die Einzelschicksale, die Biographien
ausgelöschter Leben, die zerstörten Träume und Hoffnungen
vertriebener Salzburger und Salzburgerinnen nachlesen. Oft berühren
Einzelschicksale ja mehr, als die große Menge anonymer Toter.

Der KZ-Verband/VdA ist nach der Befreiung 1945 als überparteilicher
Opferverband gegründet worden. In dieser Tradition und Verantwortung
appellieren wir dringend an Sie: Machen Sie endlich Schluss mit der
postumen Ehrung von Nationalsozialisten!

Hören Sie nicht auf das Gerede vom „Geschichte nicht auslöschen“.
Das ist historischer und intellektueller Unfug. Straßennamen ehren
Personen, sie sind nicht die Geschichte. Auch ein „Zusatz- und
Erklärtaferl“ ändert nichts an der Ehrung an sich.

Folgen Sie nicht den Schalmeienklängen jener, die Ihnen einreden
wollen, es handle sich bei den von der Historiker*innen-Kommission
genannten Namen ohnehin „nur“ um Mitläufer und Opportunisten.
Gerade die Mitläufer waren es, die die mörderische
Zustimmungsdiktatur am Laufen gehalten haben. Und um es mit Hanna
Feingold, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in Salzburg,
zu sagen: „Wir brauchen keine Opportunisten als Vorbilder.“

Und lassen Sie sich nicht vom Gerede der Leistungen nach 1945 der mit
Straßennamen geehrten Nationalsozialisten Sand in die Augen streuen.
Das ist eine Verhöhnung der Opfer. Die Vertriebenen und Ermordeten
hatten gar keine Gelegenheit, sich für das Gemeinwohl zu engagieren;
sie waren vertrieben oder tot.

Bedenken Sie auch, dass es Themen gibt, die keine Direkte Demokratie
vertragen. Genauso wie man nicht über die universellen Menschenrechte
abstimmen lassen kann, kann man über die Bewertung des
Nationalsozialismus abstimmen. Nationalsozialismus ist ein
Menschheitsverbrechen, keine Meinung.

Ehre, wem Ehre gebührt!

Die wahren Vorbilder sind jene Frauen und Männer, die sich aktiv
gegen den Vernichtungskrieg und gegen die industrielle Ermordung von
Millionen Menschen gestellt haben. Ihnen und jenen, die vertrieben
wurden, die vergast wurden, die zu Tode gequält wurden, die mit
Giftspritzen ins Herz getötet wurden, denen der Kopf abgeschnitten
wurde, steht unsere ehrende Erinnerung zu. Die Nationalsozialisten
wollten sie und ihre Namen ausradieren.

In diesem Sinn richten wir noch einmal den Appel an den Salzburger
Gemeinderat: Machen Sie endlich Schluss mit der Nazi-Ehrung in
Salzburg auch um den internationalen Ruf unserer Stadt nicht zu
beschädigen.

Danke und herzliche, antifaschistische Grüße,
für den KZ-Verband/VdA Salzburg
Siegfried Trenker
(Obmann: KZ-Verband/VdA Salzburg)

Ergeht an: Gemeinderäte der Stadt Salzburg (Schloss Mirabell – via
Mail)
Zur Information an: GR Klub ÖVP, SPÖ, Bürgerliste, Neos, Presse