Maria Cäsar (1920 – 2017): Widerstandskämpferin und Zeitzeugin

Am 1. September ist die langjährige Vorsitzende des KZ-Verbands Steiermark und das Bundesehrenmitglied des KZ-Verbands wenige Tage vor ihrem 97. Geburtstag in Graz gestorben. Auf ihr langes Leben zurückblickend hat sie einmal gemeint, sie sei „immer schon eine politische Frau gewesen“ und als solche hat sie sich über 80 Jahre lang in die Politik eingemischt, wofür sie verfolgt und verhaftet, gewürdigt und letztlich auch vielfach geehrt wurde.  

Am 13. September 1920 wurde sie in Prevalje (Slowenien) als Maria Kreth geboren. Sie wuchs allerdings in der obersteirischen Industriestadt Judenburg auf, wo ihr Vater im Styria-Gußstahlwerk arbeitete und innerhalb der Sozialdemokratie organisiert war. In Judenburg verbrachte sie ihre Kindheit und Jugend, die ab Anfang der 1930er-Jahre von einer schweren Krise dominiert war. „Arbeitslosigkeit und damit bittere Not in unserer Region waren für uns daher jahrelang kein Fremdwort. Für uns Kinder bedeutete ein Kipferl schon eine besondere Belohnung“, sollte sie später über diese Zeit bemerken.  

In diese Phase fiel auch ihre politische Sozialisation, zunächst innerhalb der sozialdemokratischen Jugendorganisation Rote Falken und Sozialistische Arbeiterjugend. Nach der großen Enttäuschung über die Niederlage der Arbeiterbewegung im Februar 1934 schloss sie sich aber bald schon, wie viele andere auch, dem Kommunistischen Jugendverband (KJV) an. „Im Herbst 1935 stieß zu unserer Gruppe Willi Fritz – ein erfahrener Jugendlicher des kommunistischen Jugendverbandes –, der unsere Diskussionen durch seine theoretischen und praktischen Erfahrungen noch interessanter machte. Wir trafen uns auf Almhütten auch mit Mädchen und Burschen aus Knittelfeld und Fohnsdorf. Dort besprachen wir verschiedene Aktionen, so zum Beispiel wo wir Flugblätter streuen können. Willi Fritz brachte uns – wenn er nach Judenburg kam – auch politische Bücher und Informationsmaterialien mit. Wir waren wissbegierig und schöpften aus unseren Zusammenkünften sowie dem Gelesenen Hoffnung für eine bessere Zukunft Österreichs.  

In Deutschland herrschten schon seit 1933 die Nazis. Bücher, deren Inhalte gegen die Auffassung der Nazis waren, insbesondere marxistische Literatur, landeten auf öffentlichen Scheiterhaufen. Sozialisten, Vertreter bürgerlicher Parteien und Kommunisten wurden eingesperrt, deren Parteien verboten. Wir erfuhren von Willi Fritz die Wahrheit über diese Ideologie und sammelten Argumente, warum dieses Regime besonders für die Arbeiterschaft so gefährlich war. Aber wir lernten damals auch schon, dass Faschismus letztlich Krieg bedeutet. Dazu kamen unsere eigenen Erfahrungen, dass schon im Austrofaschismus die Demokratie faktisch ausgeschaltet wurde und die Parteien der Arbeiterschaft verboten waren. Dass eine Nazidiktatur diesen Zustand nur verschlimmern würde, war uns trotz unserer Jugend klar.“ 

Bereits unmittelbar nach dem „Anschluss“ 1938 kam es seitens des KJV im Bezirk Judenburg-Knittelfeld zu einer Umstrukturierung, was auch der Gestapo in Graz nicht verborgen blieb, wie aus einem Bericht vom 24. Dezember 1938 hervorgeht: „Der organisatorische Aufbau des KJV unterscheidet sich wesentlich von dem der vergangenen Jahre. Während man früher daran- gegangen war, eine straffe Organisation aufzubauen, hat man heute diese Taktik fallen gelassen und hält aus Gründen der Konspirativität eine lose Zusammenfassung aller Gesinnungsfreunde im Rahmen von Dreierzellen für geeigneter.“ 

Für den Kontakt zu diesen Zellen wurde seitens des ZK des KJV Friedrich Pietzka beauftragt, der sich ab Sommer 1938 mit den lokalen Funktionären im Mur- und Mürztal, u.a. mit den Knittelfeldern Alois Lew und Hugo Kowatsch, traf. Innerhalb kürzester Zeit gelang es Lew im Bezirk Judenburg neben den bereits aus der Zeit vor dem „Anschluss“ bestehenden Zellen weitere aufzubauen. Dabei kam er auch mit der Judenburger Gemüsehändlerin Maria Kreth in Verbindung, die wiederum Kontakte zu den Arbeitern der „Styria-Gußstahlwerke“ hatte. Innerhalb der Zellen wurden bei gemeinsamen unverdächtigen Wanderungen aktuelle politische Entwicklungen besprochen, Mitgliedsbeiträge einkassiert und die über die Leitung des KJV aus Wien bezogenen illegalen Zeitungen und Broschüren gelesen und diskutiert.  

Da die Gestapo über die Aktivitäten des KJV in der Steiermark schon seit Herbst 1938 durch einen V-Mann bestens informiert war, schlug sie – nachdem ihr alle Verbindungen bekannt waren – Anfang Mai 1939 in der Obersteiermark zu. In einem Bericht der Gestapo vom 13. Juni 1939 heißt es: „Die Erhebungen ergaben, dass in Knittelfeld eine umfangreiche illegale Organisation des komm. Jugendverbandes bestand, die Verbindungen nach Wien, Klagenfurt und zu dem Vertreter der Auslandsstelle der KPÖ in Jugoslawien hatte. Es wurden 43 Personen wegen Vorbereitung zum Hochverrat festgenommen und dem Landgericht Graz zugeführt, das Haftbefehle erlassen hat.“ Eine der damals Festgenommenen war Maria Kreth. Nach 14 Monaten Untersuchungshaft wurde sie Ende Juli 1940 entlassen und heiratete einen Monat später Franz Greilberger. Im Hochverratsprozess am Oberlandesgericht Wien wurde sie im April 1941 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, wobei die Strafe als durch die Untersuchungshaft verbüßt galt. Noch im gleichen Jahr wurde sie erstmals Mutter. Doch nur wenige Monate nach der Geburt ihres Sohns Heinz musste ihr Mann an die Ostfront, wo er 1943 starb.  

In der Folge knüpfte sie über ihre Verwandten in Slowenien Kontakte zu den Partisanen und Widerstandsgruppen in Judenburg. Als 1944 Mitglieder der Widerstandsgruppen verhaftet wurden, befürchtete sie, auch verhaftet zu werden und ging deshalb ohne ihr Kind zu den slowenischen Verwandten. Da ihr Name im Zuge der Einvernahmen nicht genannt wurde, kehrte sie bald wieder nach Judenburg zurück, wo sie auch die Befreiung erlebte.  

1949 wurde ihr zweites Kind, Ernst, geboren. Ohne den Vater des Kindes ging sie schließlich 1950 nach Graz, wo sie mit ihren beiden Söhnen in einer Baracke im Lendviertel wohnte. In Graz wurde sie innerhalb der KPÖ und dem Bund Demokratischer Frauen aktiv. Damit begann Maria Cäsars zweite politische Laufbahn, über die sie einmal in einem Interview meinte, dass sie bis in die 1980er-Jahre als Mensch zweiter Klasse behandelt wurde. „Die Leute wechselten die Straßenseite, wenn sie mich sahen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie es war, Kommunistin zu sein…“. In dieser Zeit heiratete sie Rudolf Cäsar, der 20 Jahre lang Betriebsrat bei den Grazer Stadtwerken war, und der sie in ihrem dritten Abschnitt als „politische Frau“ bis zuletzt begleitete. Denn als das Bundesministerium für Bildung die Aktion „ZeitzeugInnen an die Schulen“ startete, gehörte Maria Cäsar zu jenen Zeitzeuginnen, die in den steirischen Schulen die Erfahrungen ihrer Generation und ihre persönlichen Erlebnisse an die Jugend weitergab. Federführend für die Umsetzung dieser Aktion war in Graz Helmut Konrad, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Graz, der über diese Aktion einmal sagte: „Unter den Zeitzeugen und Zeitzeuginnen gab und gibt es zum Glück auch Naturtalente. Und ganz herausragend war ohne jeden Zweifel darunter Maria Cäsar. Schnell sprach sich herum, wie gut sie bei den jungen Menschen ankam, wie sehr sie deren Sprache und Denkmuster verstand und in welchem Ausmaß sie die Schulveranstaltungen zu Erfolgen machte.“ Über Jahrzehnte war sie in Schulen, Jugend- und Erwachsenenbildungseinrichtungen unterwegs und hat Aufklärungsarbeit geleistet. Zudem war sie lange Jahre Vorsitzende des steirischen Landesverbands ehemals politisch Verfolgter (KZ-Verband). 

Für ihren jahrelangen Einsatz für eine bessere Welt wurde sie schließlich auch mehrfach geehrt und ausgezeichnet. So erhielt sie von der Republik Österreich 1978 die Befreiungsmedaille. Für ihren Einsatz als Zeitzeugin wurde sie 1995 zur Bürgerin der Stadt Graz und das Land Steiermark zeichnete sie im Jahr 1999 mit dem Goldenen Ehrenzeichen und 2014 mit dem Großen Ehrenzeichen aus. 2001 wurde ihr der erste Menschenrechtspreis des Landes Steiermark verliehen und erst im letzten Jahr erhielt sie von der Republik Österreich das Silberne Verdienstzeichen. 

Heimo Halbrainer 

Maria Cäsar: „Ich bin immer schon eine politische Frau gewesen.“ – Widerstandskämpferin und Zeitzeugin. CLIO: Graz 2006, ISBN-13: 978-902542-00-7, 164 Seiten mit zahlreichen Abb. Euro 12,00 (Bestellung: verlag@clio-graz.net) 

Text aus: der neue Mahnruf 4/2017
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